Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
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Beschreibung
Kunst Lehren
„Es gibt keine Halbheiten in der Kunst. Wir wachen auf und denken an sie, und wir schlafen ein, indem wir an sie denken. Wir gehen überall hin auf der Suche nach ihr, Künstler und Nichtkünstler. Der feste Zugriff, den sie auf uns hat, ist äußerst rätselhaft, wenn wir bedenken, wie wenig wir darüber wissen.“(Agnes Martin in „Über die Vollkommenheit, die dem Leben zugrunde liegt.“)
Wirklichkeit - vorgefunden, konstruiert, erfunden, geträumt - setzt sich in Bilder um und diesen Bilder-Findungen liegen meist verschlungene, rational oft gar nicht nachvollziehbare Prozesse zugrunde. Zufälle spielen eine Rolle, das Unwillkürliche, der Balanceakt zwischen Wollen und Loslassen, Disziplin, Träumen, Nachdenken, Geschehenlassen. Es gehört eine Gabe dazu, die wir Phantasie nennen, es geht nicht ohne einen wachen Geist, ohne Neugierde, Aufmerksamkeit, Vermessenheit, Anmaßung, Mut und Übermut. Alles Dinge, die sich nicht lehren lassen. Und doch versuche ich, mit meinen Studentinnen und Studenten ganz nah an diesen Prozessen dran zu bleiben, dem mit ihnen zusammen nachzugehen, was sie an Bildern setzen, was sie sagen, was ihnen unterläuft und was sie als ihre Absicht formulieren.
Bestenfalls entzündet sich der Funke in der Begegnung mit den Studentinnen und Studenten jedes mal neu, in jedem vagen Beginn, beim Abwägen einer Idee, beim Staunen über einen Einfall, bei jeder sei es zunächst noch so zaghaften Visualisierung einer Vorstellung, bei jedem überraschend eingeschlagenen Weg, bei der Wucht von ungeahnten Behauptungen. Bestenfalls entwickelt sich daraus so etwas wie Lehre, was nicht mehr sein kann als die Begleitung von individuellen Wegen, produktiver Streit in der Gruppe, das kritische Hinterfragen von Positionen, das gemeinsame Betrachten von Kunstwerken und Wirklichkeit. Als Lehrende sollte ich staunen können, mich überraschen lassen, keinesfalls ALLES besser wissen, aber aus Erfahrung eben doch vieles. Lehrend reden lässt sich über das Verhältnis von Form und Inhalt, über die Diskrepanz von Vorstellung und Wirklichkeit, über die Angemessenheit der Mittel, über die Notwendigkeit von Präzision, den Stellenwert der Beherrschung des Handwerks, die Verortung des eigenen Tuns im Gesellschafts- und Kunstkontext. Keinen Einfluss hingegen haben wir als Lehrende auf die Bilderwelten an sich und ihre Ursprünge und die Intensität ihrer Gestalt, dieses Mehr, das sie sind jenseits der Absicht.
Oft ist es vor allem dies: Mut machen, Anstoß geben, anfeuern, graben helfen, Aufmerksamkeit wecken, Wahrnehmung schärfen, Anlässe schaffen, Bilder zeigen, auf Texte verweisen, Türen öffnen, Ausblicke ermöglichen, Verknüpfungen herstellen, Widerspruch provozieren, Wege aufzeigen, Scheitern verkraften helfen, Fragen stellen. Keine Antworten geben.
Alles andere folgt notwendig, aber zweitrangig als Vorbereitung auf das Leben in der freien Wildbahn: Selbstpräsentation und Texteschreiben, Urheberrecht und Vertragsaushandlung, Selbstmanagement samt Randgebieten und Berufsfelderweiterung. Wir geraten in den Widerspruch zwischen anarchischer Selbstbehauptung und dröger Lebenswirklichkeit. Kunst beansprucht einen Freiraum, den es nicht gibt und den wir bestenfalls immer wieder neu erfinden durch unser Tun.
Prof. Andrea Zaumseil
Kontakt
Tel.: 0345/7751-673
Email: zaumseil@burg-halle.de
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