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Der Wert von Design - Interview mit Frank Wagner

Frank Wagner ist Gründer und Geschäftsführer von hw.design, einer international vielfach ausgezeichneten Marken- und Designagentur in München. Anfang 2015 hat der Verlag Hermann Schmidt sein Buch »The Value of Design. Wirkung und Wert von Design im 21. Jahrhundert« veröffentlicht.

 


Guten Tag, Frank Wagner. Vielen Dank für das Interview, möchten Sie sich unseren Lesern kurz vorstellen?
Ich bin 1963 geboren und habe nach meinem Grafikdesignstudium in Stuttgart zunächst fünf Jahre Praxiserfahrungen als Art Director in verschiedenen Festanstellungen in München und Hamburg gesammelt. Anschließend habe ich mit meiner damaligen Partnerin das Designstudio häfelinger & wagner design gegründet, das im Jahr 2011 zur hw.design GmbH - oder kurz hw.d - umfirmiert wurde. Seit 20 Jahren leite ich diese Agentur, ein interdisziplinäres Designstudio, welches sich mit dem gesamten Kontext der Kommunikation für Unternehmen beschäftigt.


Ihr Buch »The Value of Design« ist ein Plädoyer für ein neues Designverständnis. Was ist Ihre Kritik an der heutigen Gesellschaft, die Sie dazu angeregt hat, sich dafür auszusprechen?
Ich würde es weniger Kritik nennen. Aus meiner Perspektive hat Design wesentlich mehr Potenzial als es heute gesehen wird. Insbesondere in der Allgemeinvorstellung wird Design sehr stark über seine visuell sichtbare Qualität wahrgenommen und weniger über das, was es heute in der Fachbetrachtung schon ist oder was es in Zukunft sein kann. Das erste Kapitel „Design und Relation“ in »The Value of Design« beschäftigt sich mit der Frage, wie „alt“ das Thema Design eigentlich ist und auf welche Bedürfnisse des Menschen es zurückgeht. Wenn Sie sich umsehen können Sie in allen Dingen Design erkennen und letztlich − so meine Auffassung − verschaffte sich der Mensch mit den Funktionen, die Gegenstände mit sich brachten, lediglich neue Möglichkeiten, um sich in seiner Umgebung zurechtzufinden. Design bedeutet, einen spezifischen Nutzen zu erzielen. Früher beschränkte sich dieses  Nutzenbedürfnis lediglich auf die Funktion, später kam ein ästhetischer Nutzen hinzu, und in Zukunft wird damit auch ein ökologischer Nutzen verbunden sein, wenn die Designentwicklung sich weiterentwickelt und für neue Produkte beispielsweise keine natürlichen Ressourcen mehr verbraucht werden.
Schauen wir in die Zukunft, gilt es meiner Meinung nach, Design nicht nur an funktionalem und ästhetischem Nutzen zu knüpfen, sondern sich als Designer auch mit viel weitgreifenderen Nutzen auseinanderzusetzen. Das heißt, ich habe als Designer die Aufgabe, das Produkt ästhetisch und funktional zu gestalten, aber ich habe beispielsweise auch die Aufgabe, einen bestimmten Ressourcenbedarf nicht zu überschreiten. Ein Produkt kann durch intelligente Gestaltung wiederverwertbar sein oder das Prinzip des Sharings erfüllen. Das sind beispielhafte Aspekte, die man als Aufgabe an Design in Zukunft richten kann. Und das ist im Grunde das erweiterte Designverständnis, das ich in meiner Publikation beschreibe.


Nun entwickeln Sie bei hw.design nicht Produkte wie Telefone, Autos etc., sondern Kommunikation. Wie setzen Sie diese Werte in Ihrer Kreativagentur um?
Ein Manifest für die Agentur zu schreiben, war nicht das Ziel. Ich habe diesen Gedankengang vollkommen losgelöst entwickelt. Wir sind natürlich im Kommunikationsdesign nicht ganz so eng an Themen wie Recycling dran, wie wir das vielleicht bei einem Auto wären. Im Grunde geht die Argumentation weiter, dass die Designer oder wir als Agentur, die sich dem erweiterten Designbegriff annehmen, eine Dienstleistung ohne die entsprechende Auffassung des Auftraggebers nicht erfüllen können. Wir können als Designer nicht Dinge tun, die der Auftraggeber nicht will. Von daher muss ein allgemeines  Verständnis des Designbegriffes wachsen, das ein Bedürfnis formuliert, welches von der Gesellschaft übergreifend auf die Auftraggeber und schlussendlich auf die Designer übergeht. Somit richtet sich die Formulierung des Designbegriffs, also das Buch, nicht ausschließlich an Designer, sondern sehr stark an diejenigen, die Design beauftragen und die Design initiieren.


Wie hat sich Ihre Einstellung zu Design entwickelt? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, sodass Sie diese Einstellung und Meinung heute vertreten?
Was mich immer beschäftigt hat, war die Frage, was wir eigentlich mit unserer Arbeit als Designer tun, was wir für eine Wirkung haben und wie wir gewisse Dinge positiv beeinflussen können. Oder diese Frage steht vielleicht noch darüber: Beeinflussen wir nicht eigentlich mit unserer Arbeit die Zukunft? Und können wir dann nicht Kriterien anlegen, die weitergehen als eben nur der ästhetische Anspruch an ein Produkt? Das können Ansprüche sein, die über den bekannten Horizont hinaus gehen, um die Zukunft zu beeinflussen. Dieser Gedankengang hat sich über viele Jahre entwickelt. Die Idee des  Buches war diesem Gefühl auf den Grund zu gehen, und das Schreiben hat dies aus meiner Sicht verfestigt. Es ist eher ein Essay, ein persönlicher Gedankengang, der gewissermaßen einen Ausschnitt von einem Themengebiet aufzeigt, das viele betrifft.


Unsere Gesellschaft ist überschwemmt von einem Angebot an Produkten. Wann ist es denn als Designer vertretbar, den x-ten Stuhl zu gestalten und auf den Markt zu bringen?
Ich glaube, die Gründe, einen Stuhl zu machen sind wahrscheinlich seit Jahren die gleichen. Es gibt das Bedürfnis oder eine Idee, etwas besser zu machen als vorher. Zudem gibt es einen Initiator, der für sich gesehen gewisse Kriterien an eine Entwicklung anlegt. Wenn beispielsweise Vitra einen Stuhl beauftragt, dann erkennt man später auch die Kriterien dieses Auftraggebers wieder. Ein Aspekt, der dem erweiterten Designverständnis folgen würde, wäre ein Stuhl, den man nach der längeren Benutzung auf den Kompost werfen kann. Irgendwo gilt es also, den Mehrwert im Design zu finden. Es gibt verschiedene Kriterien und Aspekte, sei es sozial, politisch etc., die einem praktische Ansätze bieten können? Weiter im Buch spreche ich über Kriterien, die den erweiterten Designbegriff betreffen. Unter anderem gibt es auch das Thema „Inwieweit können Produkte geteilt werden?“. Es gibt die Thematik der Sharing-Ökonomie, also die Frage, muss ich immer alles alleine besitzen oder kann ich ein Produkt auch teilen? Und da, denke ich, steckt gerade im Produktdesign eine besonders interessante Dimension. Wie kann ich ein Produkt so produzieren, dass es nicht nur für Leute mit einem großen Geldbeutel zugänglich ist? Das heißt, inwieweit gestalte ich das Produkt auch unter dem Aspekt der sozialen Verfügbarkeit? Es gibt schon Dimensionen, die nicht uninteressant sind, gerade was das Produktdesign betrifft. Auch der Ressourcenaspekt, also welche Materialien verwendet werden, sind sie wiederverwertbar, basieren sie auf recycleten Materialien etc., das sind sehr relevante Aspekte, die unsere Zukunft bestimmen sollten.


Das heißt, im Prinzip liegt es in der Verantwortung eines Designers, Gesamtkonzepte zu entwickeln, also nicht nur zu gestalten, sondern eine weiterführende Idee dahinter zu generieren?
Ja, es geht eben auch darum, sich diesen Aufgabenstellungen anzunehmen, nicht nur das Objekt selbst zu entwickeln, sondern auch den Prozess dahin, den der Produktion, der Benutzung und dem Leben danach. Und ich bin der Meinung, dass der Designer selbst im hohen Maße auch dazu fähig ist, übergreifend zu denken. Raus aus seiner Schublade, sich nicht mehr nur um die Form des Telefons zu kümmern, sondern sein Potenzial des erweiterten Designgedankens zu nutzen. Und besonders Produktdesignern kann man in ihrem Arbeitsprozess, wo es um Herstellung geht, um Prozesse geht, um Ressourcen und Wiederverwertung geht, eine wichtige Rolle in der Zukunft zuweisen.


Somit wandelt sich das Bild des Designers (hoffentlich) in Zukunft in eine verantwortungsvolle Rolle der Konzeptionierung. Meinen Sie, dass die aktuelle Ausbildung an Hochschulen dann noch zeitgemäß ist?
Sehr, sehr wichtig sind auf jeden Fall die Fähigkeiten, die ein Designer persönlich schon mitbringen muss, also Kreativität abrufen zu können, sich darauf zu konditionieren, wie man eine Lösung entwickelt, übergreifendes Denken, Prozesshaftigkeit, wie gestaltet man das auch im Team. Wie geht man mit seiner eigenen Kreativität um, und wie stellt man sich komplexen Fragestellungen? Das sind, glaube ich, sehr wichtige Fähigkeiten, die in einem Designstudium, im Grunde schon viel früher, für die Arbeit als Designer notwendig sind. Ich glaube, das sind generell sehr wichtige Fähigkeiten, die ganz viele Leute gebrauchen könnten, nicht nur Designer. Insofern müsste man im Studium daran anknüpfen, wenn das noch nicht gemacht wird.


Vielen Dank, Herr Wagner. Gibt es noch etwas, das sie unseren Designstudenten und jungen Designern mitgeben möchten?
Neugierig sein. Ganz ehrlich, neugierig sein, offen sein und versuchen, die eigene Rolle, die man jetzt im Studium schon irgendwo bekommen hat, auch zu hinterfragen. Weil ich glaube, dass sich das Bild des Designers der Zukunft erst noch entwickeln muss. Das sieht man auch, wenn man in die Vergangenheit schaut: „Was war denn früher Design?“. Ich denke, dass da die Ausbildung momentan noch nicht so weit geht, wie ich das jetzt beispielsweise in meinem Buch schreibe. Wie gesagt, das ist mein Gedankengang. Ich glaube, dass jeder Designer sich selbst die Frage nach der eigenen Rolle stellen muss. Und wenn man sich diesem Thema mit Begeisterung und Leidenschaft widmet, dann ist das eine wirklich spannende Fragestellung für die Zukunft der Designer.

 

»The Value of Design. Wirkung und Wert von Design im 21. Jahrhundert«

 

The Value of Design
Wirkung und Wert von Design im 21. Jahrhundert
Ein Plädoyer für ein neues Designverständnis
160 Seiten
Format 14,3 x 20,3 cm
Foliengeprägtes Flexcover in Fedrigoni-Materialmix mit Klappen und Lesebändchen
ISBN 978-3-87439-857-2
Zu haben ist es für 29.80€
direkt über den Hermann Schmidt Verlag Mainz,
im Buchhandel,
oder zum Beispiel über Amazon

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