Quereinstieg nach Kunststudium oder "berufliche Chancen" nur durch Zweitstudium?

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lowlife
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Quereinstieg nach Kunststudium oder "berufliche Chancen" nur durch Zweitstudium?

Hi!

Diesen Post habe ich schonmal im Studis Online-Forum verfasst, glaube aber, dass hier einfach spezifischere Resonanz kommen wird, deshalb versuche ich es nochmal. Der Post ist leider etwas länger geworden.

Ich bin 24 Jahre alt und studiere mittlerweile im 10. Semester Bildende Kunst und werde im kommenden Jahr meinen Abschluss (Diplom) erhalten.

Leider habe ich insbesondere in den vergangenen zwei Jahren meines Studiums bemerkt, dass ich es mir definitiv nicht vorstellen kann, zukünftig in diesem Bereich zu arbeiten, was bedeutet, das ich eigentlich kaum noch wirklich aktives Interesse an der 'Produktion' von Kunst habe, kein Bedürfnis habe aufzustellen, und auch den Markt im allgemeinen eher nicht als einen Ort sehe, an dem ich mir eine Zukunft aufbauen kann. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich viel lieber an Projekten arbeite, bei denen ich das Gefühl habe, dass es auf sie eine gewisse Resonanz gibt, also beispielsweise Projekte, bei denen ich verschiedene Positionen zusammenbringe und am Ende etwas entsteht, was eine größere Reichweite hat. 
Natürlich war ich, als ich mein Studium mit 19 begann, noch sehr hilflos und wusste überhaupt nicht, was genau ich eigentlich machen will – und war auch zugegebenermaßen etwas naiv. Als ich dann in dem Studium gemerkt habe, dass ich das Geld, was ich bei meinem Nebenjob verdiene, nicht mehr in Materialien stecken möchte um Arbeiten zu produzieren, die am Ende sowieso kaum jemand sieht, wusste ich auch, dass das einfach der falsche Weg war.

Zwischenzeitlich habe ich – wie ich auch hier schon einmal vor einem Jahr gepostet hatte – darüber nachgedacht, noch einmal Visuelle Kommunikation zu studieren, bin aber zu dem Entschluss gekommen, dass ich das zwar autodidaktisch weiter ausbauen möchte, ich aber wirklich kein weiteres künstlerisches Studium mehr beginnen möchte.

Zwar fühlt es sich einerseits so an als würde mich mein Abschluss für diverse Bereiche als Quereinsteiger qualifizieren, andererseits habe ich jedoch auch das Gefühl, dass ich vieles nicht gelernt habe, bzw. auch zu einem gewissen Maß meine Zeit sogar ineffektiv genutzt ('verschwendet') habe und mir im Vergleich zu anderen Studienabsolvent*innen einfach Kernkompetenzen fehlen. Sprich: Wenn ich Jobangebote (Kulturmanagement/Projektassistenz/Öffentlichkeitsarbeit/usw.) lese, wird oftmals ein Abschluss in Kommunikationswissenschaft/Kulturwissenschaft/o.ä. und ich stelle mir mittlerweile die Frage: Quereinstieg hin oder her, was ist mein Abschluss wirklich wert? Wofür qualifiziert er mich? 
Und ist der Abschluss am Ende vielleicht sogar zweitrangig, da ich diverse Berufserfahrung vorweisen kann? (zwei Jahre Studentische Hilfskraft [Veranstaltungsorganisation, Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Tabellenpflege, usw usf], Praktikum [8 Monate] bei einem Medienkunstfestival, Mitarbeit bei einem Magazin [mittlerweile in der 2. Ausgabe erschienen, vorrangig Künstlerkommunikation, Editor], etc.)


Meinen Abschluss habe ich nach hinten verschoben, weil ich vergangenes Jahr noch sehr planlos war und gar nicht wusste, was ich danach machen soll – mittlerweile ist das zwar klarer, aber trotzdem mache ich mir oft Sorgen um die Zukunft, vor allem um Sicherheit. Leider lebt man während des Studiums an einer Kunsthochschule oftmals in einer Blase, in der man kaum darüber aufgeklärt wird, wie "das Leben nach dem Studium zu managen ist". 

Was ich vor allem bemerkt habe: Ungern würde ich selbstständig arbeiten, kann mir aber vorstellen nebenbei weiterhin Plakate o.Ä. zu gestalten, aber im allgemeinen würden mich eher die Arbeit im Projekt/Kultur/Veranstaltungsmanagement, auf Kulturämtern oder ähnlichen Bereichen interessieren. Ein Zweitstudium würde ich definitiv in Betracht ziehen, höchstwahrscheinlich Kulturwissenschaft in Kombination mit BWL/VWL/Öffentliches Recht oder auch Rechtswissenschaft. In meiner "Verzweiflung" und der Suche nach finanzieller Sicherheit denke ich sogar darüber nach ein Duales Studium im Bereich Öffentliche Verwaltung zu beginnen, da mich das nicht gänzlich abneigt, auch wenn ich diverse Horrorgeschichten über den monoten Arbeitsalltag höre ( – was mich, so absurd es klingt, auch nicht mal stören würde, solange ich mich in meiner "Freizeit" auf andere Dinge konzentrieren kann).

Dabei stelle ich mir aber auch die Frage, inwiefern mich mein Studium beispielsweise für einen Master in KuWi qualifiziert? (habe diverse kunst- und kulturgeschichtliche und philosophische Module absolviert).
Lehrer zu werden halte ich mir als Option offen, kann es mir aber vom Gefühl her nicht vorstellen (habe schon als Nachhilfelehrer gearbeitet und das hat mir eher mäßig Spaß gemacht).

Dankbar wäre ich auf jeden Fall für Feedback von Personen, die auch in 'fachfremden' Bereichen arbeiten, und wie sich deren Berufseinstieg vollzog. Vielleicht auch gern von Personen, die ihren Lebensmittelpunkt nach einem künstlerischen Studium in einen anderen Bereich verlagert haben.

((Als ich mit meinem Mentoren/Dozenten darüber gesprochen habe, habe ich von ihm leider nur recht realitäsfremde Antworten bekommen ('was studieren was sonst keiner macht!', 'Kredit aufnehmen und in die USA gehen und nochmal irgendwas studieren!') mit denen ich nichts anfangen konnte, und habe auch dadurch das Gefühl, dass ich diese Thematik nicht noch einmal mit ihm ausführen möchte. Das finde ich einerseits sehr frustrierend, da er auch in seiner Position nicht nachvollziehen kann, warum ich bei künstlerischen Arbeiten dann doch nicht einfach so mehrere hundert Euro für die Produktionskosten aufbringen kann und auch mit einer "bescheideneren" aber dennoch formal guten Lösung zufrieden bin. Aber das ist ein anderes Thema.))
 

parkgalerie
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Ich kann hier leider wirklich nicht viel helfen.

Ein Kunststudium qualifiziert, falls überhaupt zu irgend etwas, tatsächlich ausschließlich dazu, am Kunstmarkt seine kunst anzupreisen.

Ich denke mir, 24 ist noch soo jung, da würde ich auf jeden Fall ein Zweitstudium oder eine Ausbildung deiner Wahl ins Auge fassen, statt auf Jobs zu hoffen, die einen vorhandenen Abschluß als zweitrangig erachten.

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Blacksmith
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Klaus hat das gut auf den Punkt gebracht. Ich versuche mal ein paar deiner Gedankengänge gradezu ziehen. Dazu pick mal ein paar Absätze raus, das ist dann einfacher darauf einzugehen.

 

Zwar fühlt es sich einerseits so an als würde mich mein Abschluss für diverse Bereiche als Quereinsteiger qualifizieren,

Was gibt dir das Gefühl das dich dein Abschluss (bzw. besser dein Studium) als Quereinsteiger qualifiziert?
Grundsätzlich ist ein Studium ja erstmal nicht darauf ausgerichtet, die Absolventen irgendwo als Quereinsteiger unterzubringen, sondern in dem Bereich um den es im Studium eben geht.

 

andererseits habe ich jedoch auch das Gefühl, dass ich vieles nicht gelernt habe, bzw. auch zu einem gewissen Maß meine Zeit sogar ineffektiv genutzt ('verschwendet') habe und mir im Vergleich zu anderen Studienabsolvent*innen einfach Kernkompetenzen fehlen. Sprich: Wenn ich Jobangebote (Kulturmanagement/Projektassistenz/Öffentlichkeitsarbeit/usw.) lese, wird oftmals ein Abschluss in Kommunikationswissenschaft/Kulturwissenschaft/o.ä.

Eigentlich kann man sich schon an den Bezeichnungen gut orientieren, warum das so ist. Dort werden Absolventen mit einem wissenschaftlichen Background gesucht. Ein Kunststudium hat da sicher einiges an Luft nach oben (was sicher für die Künstler auch wichtig und richtig ist!). Schon innerhalb des Designbereichs schwankt der wissenschaftliche Anteil schon sehr, und dem Design wird ein deutlich höherer Teil "Wissenschaft" zugesprochen als der Kunst.
Somit liegst du mit deinem Gefühl schon ganz gut. Die fehlenden Kernkompetenzen, deine "Werkzeuge", sind eben das was dein schaffen/Studium und das schaffen/Studium der anderen ausmacht. Dem KuWi werden aber auch Kompetenzen fehlen, wenn es um Biochemie oder Statik geht.

 

und ich stelle mir mittlerweile die Frage: Quereinstieg hin oder her, was ist mein Abschluss wirklich wert? Wofür qualifiziert er mich?

Ein Kunststudium machst du nur für dich, so wie ein Künstler nur für sich arbeitet. Somit hat der Abschluss auch erstmal nur einen Wert für dich. Für jmd. anderen ist in erster Linie wichtig was du leisten kannst. Und das ist unabhängig vom Abschluss (besonders im kreativen Bereich.) Bekannte Künstler sind wegen ihrer Arbeiten bekannt, nicht weil sie - vielleicht - einen Abschluss haben.

 

Und ist der Abschluss am Ende vielleicht sogar zweitrangig, da ich diverse Berufserfahrung vorweisen kann? (zwei Jahre Studentische Hilfskraft [Veranstaltungsorganisation, Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Tabellenpflege, usw usf], Praktikum [8 Monate] bei einem Medienkunstfestival, Mitarbeit bei einem Magazin [mittlerweile in der 2. Ausgabe erschienen, vorrangig Künstlerkommunikation, Editor], etc.)

Tatsächlich ist diese Aufzählung an Tätigkeiten soweit die einzige Qualifikation die für jmd. anderen zählen dürfte, da sie zeigt das du/was du für andere gemacht hast.

 

Dabei stelle ich mir aber auch die Frage, inwiefern mich mein Studium beispielsweise für einen Master in KuWi qualifiziert? (habe diverse kunst- und kulturgeschichtliche und philosophische Module absolviert).

Kann funktionieren, muss aber nicht. Letztlich solltest du dich mal mit den Lehrenden der in Frage kommenden Hochschschule dazu beraten. (Wie gesagt, die entscheidende Qualifikation liegt bei dir, nicht beim Studium/Abschluss.)

 

Als ich mit meinem Mentoren/Dozenten darüber gesprochen habe, habe ich von ihm leider nur recht realitäsfremde Antworten bekommen ('was studieren was sonst keiner macht!', 'Kredit aufnehmen und in die USA gehen und nochmal irgendwas studieren!') mit denen ich nichts anfangen konnte,

So realitätsfremd ist das nicht. Vielleicht nicht für dich 1zu1 umsetzbar, aber zwischen den Zeilen solltest du da doch für dich was rauslesen können. Denn solche Gespräche kommen schon ab und an mal vor, so das die Lehrenden da schon bissle Ahnung haben, von dem was sie so mitgeben.

 

Zusammenfassend, auch wenn es vielleicht hart ist, ein Kunststudium qualifiziert dich zu nix außer evtl. dazu Künstler zu sein. Sicher nimmt man im Studium noch das eine oder andere mit, aber du wirst logischerweise gegen jeden schlechten KuWi in Bereich KuWi zurückstehen. Dieses "eine oder andere" in Verbindung mit deinen Erfahrungen aber ergibt eine andere Ausgangssituation, die aber nichts mehr mit dem Kunstabschluss zu tun hat. Natürlich kannst du im Quereinstig etwas finden das zufällig genau auf das passt was du mitbringst. Schließlich hast du ja auch ein paar Jobs gefunden. Aber ich würde nicht davon ausgehen, das da demnächst dein Traumjob anklingelt.

Überlege dir wo du hinwillst. Nicht: dies oder das könnte/könnte nicht ... sondern: genau das will ich. Und dann schaust du dir an was du bislang in deinem "Werkzeugkasten" hast und welches Werkzeug dir noch fehlt um diesen Weg zu gehen. Und dann kannst du auch recht einfach herausfinden wie du an dieses Werkzeug kommst, z.B. über weitere Berufserfahrung/Jobs, über Projekte, einen Master in was auch immer, oder einen Bachelor zuvor.

Grundsätzlich befähigt ein akademisches Studium ja, sich mit jeder beliebigen These auseinander zu setzen. Egal ob es nun in seinem ursprünglichen Bereich ist oder was ganz anderes ist. Ein Mediziner kann Astronaut werden, er wird den Quereinstig aber über die Medizin machen nicht über den Maschinenbau. Aber auch das wäre möglich. Er muss sich damit nur so beschäftigen das er entsprechend Qualifiziert ist.
Und ein BWLer kann auch Künstler werden, ohne Kunst zu studieren. Er muss sich damit eben beschäftigen.

Evtl. kannst du ja auch deinen Abschluss, und den Weg dorthin, nutzen um dieses "Werkzeug" noch zu erlangen. Grade im Bereich Kunst sollte es da genügend Spielraum geben.

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Erste Schritte - hiermit fängt alles an.

prepre
Beiträge: 9

Ich hoffe es ist nicht zu spät. Allerdings empfehle ich dir dich für ein Zweitstudium zu bewerben während du noch immatrikuliert bist, dann sind deine Chancen besser 

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