Erste Schritte

Rezension: Weil Design die Welt verändert...

Vor Kurzem ist im Gestalten Verlag ein Buch mit einem Titel erschienen, der hohe Erwartungen weckt: "Weil Design die Welt verändert …" von Friedrich von Borries und Jesko Fezer, beide Professoren an der HFBK Hamburg. 

Welchen Einfluss hat Design auf unser heutiges und künftiges Leben? Welche Verantwortung trägt man als Designer? Zahlreiche Interviews und Texte von, mit und über bedeutende Gestalter wie Joseph Beuys, Max Bill oder Dieter Rams sollen dazu anstoßen, die eigene Einstellung zum Thema Design zu überdenken und Klarheit in die aktuelle Designdebatte bringen. Ob das auch gelingt, hängt natürlich von jedem selbst ab. In jedem Fall enthält dieses Buch viele interessante Standpunkte, die nicht nur für erfahrene Gestalter, sondern gerade auch für den Designnachwuchs lesenwert sind. Denn wie keine andere Zeit prägt das Studium die Haltung eines jeden angehenden Designers.

Amüsant liest sich zum Beispiel das Hinterfragen der "Zehn Thesen für gutes Design" von Dieter Rams bezogen auf das Design und die Vermarktungsstrategien von Apple. Zwei Auszüge:

"5. Gutes Design ist ehrlich
'Es lässt ein Produkt nicht innovativer, leistungsfähiger, wertvoller erscheinen, als es in Wirklichkeit ist. Es versucht nicht, den Verbraucher durch Versprechen zu manipulieren, die es dann nicht halten kann.' Ein hehrer Anspruch, den Rams vor dem Hintergrund aufgeplusterter und dekorierter Gerätschaften formuliert. Heute stellt sich die Frage nach der Ehrlichkeit eher andersherum: Ein Produkt sollte nicht weniger innovativ erscheinen, als es ist. Nicht weniger wertvoll, als es ist. Genau aber das tut Apple, denn es verheimlicht seinen Kunden, dass das iPhone noch eine ganz andere innovative Funktion hat. Denn Apple erhebt mithilfe der Ortungsfunktion des iPhones Daten über seine Nutzer, die dann zu Marktforschungszwecken verwendet und verkauft werden."

"7. Gutes Design ist langlebig
Ja, das neue iPad. Wie alt war noch mal das alte? Ach, das ist schon vor einem Jahr rausgekommen. Und wie definiert Dieter Rams gutes Design in seiner Regel Nummer 7: 'Es vermeidet, modisch zu sein, und wirkt deshalb nie antiquiert. Im deutlichen Gegensatz zu kurzlebigem Modedesign überdauert es auch in der heutigen Wegwerfgesellschaft lange Jahre.' Das braucht man wohl nicht weiter zu kommentieren."

Interessant auch Susanne Lorenz' Ansicht zu realisierten und unrealisierten Arbeiten: 

"Eine Arbeit hat als noch unrealisiertes Projekt eine große Relevanz, sie ist eine gezeichnete Idee, deren Wert nicht von der Umsetzung abhängig ist. Wenn sie aber umgesetzt wird, bringt das eine ganz andere Dynamik mit sich und führt immer auch zu etwas, das in der Zeichnung nicht angelegt war, gar nicht angelegt sein konnte. Es geht nicht nur um Materialentscheidungen, sondern […] um die Überprüfung von Konzept und Form im Sinne einer widerstandreichen Herausforderung. Im Umkehrschluss: Da sich Idee und Realisierungscharakter […] grundsätzlich und immer stark unterscheiden, ist das gezeichnete, nicht realisierte Projekt eine eigenständige Arbeit."

Etwas schade ist, dass sich die Texte hauptsächlich auf Kreative und Theoretiker aus dem Raum Hamburg beschränken. Doch um repräsentativ für die gesamte deutsche Kreativszene sein zu können, hätte das Buch wohl zehn Mal so umfangreich werden müssen. Vielleicht ein Projekt für die Zukunft oder zumindest Anreiz für eine Fortsetzung (?)

Besonders gut liest sich das Buch in kleinen regelmäßig zugeführten Portionen – so können die vielen Informationen und Ansichten am Besten erfasst und verarbeitet werden.

Wir sprachen mit einem der beiden Autoren – Friedrich von Borries 
(Architekt und Dozent für Designtheorie und kuratorische Praxis an der HFBK Hamburg):


Herr von Borries, was macht das Buch für Designbewerber und -studierende interessant?
Der Designinteressierte kriegt einen Einblick in das aktuelle Spannungsfeld von Design und erkennt die Bezüge, aber auch Konflikte, die in den gegenwärtigen Praxen bestehen. 

Welche Erkenntnisse wird der Designnachwuchs aus dem Buch ziehen, bezüglich der heutigen Anforderungen an junge Designer?
Vor Allem, dass er sich selbst in dem weiten und spannenden Feld orientieren muss; dass er sich eine eigene Position erarbeiten muss, und – weshalb wir ja auch historische Positionen vorstellen – er sich dabei in Traditionslinien stellt oder bewußt von ihnen abgrenzt. 

In dem Buch sind ja einige Designer zu Wort gekommen. Welche hätten noch zu Wort kommen sollen/können und warum? Welche Designer sollte jeder Designfrischling kennen?
Jedes Buch kann ja nur einen Ausschnitt geben. Wir haben uns als Hamburger Lehrende auf die fokussiert, die einen Bezug zu Hamburg haben. Wenn man sich zum Beispiel als Amerikaner oder aus asiatischer Perspektive mit Design beschäftigt, wählt man vielleicht ganz andere Designer aus. Also: Ich glaube, jeder "Frischling" sollte sich mit Lust und Neugierde in das Leben stürzen, und nicht suchen nach dem, was man vermeintlich kennen muss und deshalb das ignorieren, was man angeblich nicht kennen muss. Ich lerne auch noch andauernd neue Sachen kennen, die mich immer wieder begeistern. 

Schneiden sie doch mal bitte kurz an, welche Erkenntnisse man als angehender Designer für seine Arbeit gewinnt. Und wie helfen einem diese Erkenntnisse konkret weiter?
Dass es Vielfalt gibt. Dass man neugierig sein muss. Dass es unauflösliche Widersprüche gibt, die aber produktive Reibung schaffen. Und dass Kreativität vielleicht genau aus dieser Reibung heraus entsteht. 

Was ist für Sie Design? Und warum verändert Design Ihrer Meinung nach die Welt?
Design ist die Art, wie wir unsere Welt gestalten. Und bedingt damit die Form, wie wir leben.


Wir danken Friedrich von Borries und wünschen viel Erfolg mit dem Buch.


Wenn euer Interesse geweckt ist und ihr euch dieses Buch für 24,90€ zulegen wollt,
könnt ihr es einmal beim Gestalten Verlag selber bestellen,
oder ihr bestellt es direkt bei Amazon: Weil Design die Welt verändert


Fotonachweis (alle Bilder): Gestalten Verlag

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