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Don't Panic! Der Praktikantenguide - das Interview zum Buch

Ein Praktikum während des Studiums gehört in fast allen künstlerischen Studiengängen zum Pflichtprogramm. Aber was dabei genau gefragt ist, was man lernen soll und was man nicht annehmen sollte, bekommt man nur selten vermittelt. Aus diesem Grund hatten sich René Gebhardt, Antje Gerwien, Björn Kernspeckt und Sebastian Locke 2006 zusammen getan und das Buch Don't Panic! Der Praktikantenguide geschrieben.

Grund genug für uns uns die teilweise ehemaligen precoreler zum Interview einzuladen und nach zuhören was es mit dem Buch auf sich hat, und was seitdem geschehen ist. Das Interview führten wir mit René Gebhardt und Björn Kernspeckt. Beide inzwischen Art Directoren bei Scholz & Friends Berlin.

Precore: Wie kamt ihr dazu den Praktikantenguide zu schreiben? 

Björn Kernspeckt: Erstmal haben wir selbst ein Praktikum gemacht. Das war 2005 bei Jung von Matt/Alster in Hamburg. Wir waren da damals ziemlich unvorbereitet rein gerutscht. Hatten zwar schon das ein oder andere gehört. Davon hatten sich dann ein paar Dinge bewahrheitet, andere aber nicht. Auch wenn es eine gute Erfahrung war, hätten wir schon gerne vorab ein paar mehr Informationen gehabt.

René Gebhardt: Der Praktikantenguide entstand also aus dem Bedürfnis heraus, etwas zu schaffen, das wir selbst gerne vor unserem Praktikum gehabt hätten. Etwas, das über bloße Mundpropaganda von Mitstudenten hinausgeht. Ursprünglich war er als ein internes Archiv von Praktikumsberichten für die Bauhaus-Uni Weimar geplant (wo wir studiert haben). Unser damaliger Professor Werner Holzwarth empfahl uns jedoch das öffentlich zu machen und sich einen Verlag zu suchen. Eine sehr gute Idee, wie sich schnell herausstellte. Denn der Verlag Hermann Schmidt in Mainz war sofort vom Konzept begeistert.

Björn: Hätten wir aber vorher gewusst, wie viel Arbeit dieser Guide bedeutet, hätten wir vielleicht doch beim Pflichtpraktikumsbericht bleiben sollen, den wir trotz Buch an der Uni abgeben mussten ;-) Natürlich hat sich der Aufwand gelohnt, aber wir hatten anfangs tatsächlich keine Vorstellung von der Arbeit gehabt, die wir uns da selbst auferlegt hatten. Obwohl wir zu viert waren (Sebastian Locke und Antje Gerwien waren die anderen beiden beteiligten Studenten), kamen wir zum Ende des Projekts an unsere Belastungsgrenze. Die Recherchearbeit war nur ein Bruchteil. Doch das Transkripieren der aufgezeichneten Interviews und diese Texte dann auch in ein vernünftiges Lesedeutsch zu überführen sowie das Verdichten auf die vom Verlag vorgegebene Seitenanzahl war ein zermürbender wie lehrreicher Prozess.

PC: Was habt ihr seitdem an Erfahrung dazu gewonnen? 

Björn: Inzwischen haben wir unsere eigenen Praktikanten und dadurch auch den Vergleich zwischen unserem Umgang mit dem Nachwuchs und den von anderen Teams mit ihren Praktikanten. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass man in jeder Agentur, ganz egal wie deren Ruf ist, eine gute oder eine schlechte Praktikumszeit haben kann. Es hängt von den Kreativen ab, mit denen man direkt zusammenarbeitet. Nicht jeder, der großartige Ideen hat, kann auch großartig mit dem Nachwuchs umgehen. Bei schlechten Praktikumserfahrungen muss man fairerweise aber auch differenzieren. Auf der einen Seite gibt es eben Praktikanten, die trotz guter Arbeiten in ihrer Mappe, fast nichts können bzw. kaum lernfähig sind. Da kann man selbst noch so sehr versuchen, seinen Praktikanten zu fördern. Man stößt auf taube Ohren. Und wenn diese schwierigen Kandidaten ihr Praktikum beenden, sehen sie das Problem natürlich selten bei sich, sondern eher bei der Agentur. Und dementsprechend berichten sie dann auch. Wer ist schon so ehrlich zu sich selbst und sagt: "Eigentlich eine tolle Agentur. Nur ich selbst hab es wohl nicht gepackt." Fast niemand. Glücklicherweise hatten wir beide bei all unseren Praktikanten bisher ein gutes Händchen gehabt – alle waren sehr gut. Sowohl vom Einstiegskönnen als auch von der Lernkurve. 

René: Auf der anderen Seite kann man auch bei einem Team, das gut mit seinen Praktikanten umgeht, streckenweise ein nicht so tolles Praktikum haben. Das liegt dann meist an den momentan anstehenden Arbeiten. Im Rahmen der Entwicklung eines neuen Bildlooks kann es dann schon mal passieren, dass wochenlang nur Bilder gesucht werden müssen. Solch ein Aufgabe ist auf Dauer einfach nicht spannend. Vor allem, wenn sie ein Drittel des Praktikums frisst. 

Björn: Unserem aktuellen Praktikanten konnten wir dieses Mal, obwohl wir das immer versuchen, keinen optimalen Einstieg bescheren. Als er anfing, waren wir mitten in der Vorbereitung für einen Filmdreh. Der Prozess war schon so weit fortgeschritten und das gesamte Projekt so komplex, dass wir ihn nicht komplett mit an Board holen konnten. Und dann waren wir jetzt gerade drei Wochen auf Dreh. Schon sind fast zwei Monate vorbei und erst jetzt können wir ihn richtig mit einbeziehen.

PC: Wie seht ihr das Thema Vergütung?

René: Für das, was man als Arbeitskraft leistet und an Zeiteinsatz hergibt, ist man immer unter bezahlt. Nicht nur als Praktikant. Wer in der Gestaltungsbranche arbeitet, der sollte es aus der Überzeugung heraus tun, etwas bewegen zu wollen und die Leidenschaft haben Menschen mit kreativen Ideen zu begeistern. 
Dennoch gibt es zum Thema Vergütung nur eine Haltung, die man guten Gewissens Vertreten kann: Lasst euch nicht verarschen und macht kein Praktikum für Lau. Das solltet ihr euch selbst Wert sein. Den Agenturen seid ihr noch viel mehr wert. 

Björn: Agenturen, die unbezahlte Praktika anbieten, haben wir bewusst aus dem Buch geworfen. Viele Agenturen hatten damals auch mit uns diskutieren wollen. Nach dem Motto: Aber die lernen viel und wir müssen erst mal Zeit aufbringen, in der wir nichts erwirtschaften, um die Praktikanten einzuarbeiten. Das ist Bullshit. Ausnahmen mögen vielleicht Einmann-Gestaltungsbüros sein. Ansonsten muss man schon leicht dämlich sein, sich als Student auf ein unbezahltes Praktikum einzulassen. Andersherum muss einem auch bewusst sein, dass die Gestaltungs- bzw. Ideenbranche keine Branche ist, in der man die dicke Kohle abgreift. René hat das auch schon grad angesprochen. Wenn man nur Geld verdienen will, sollte man BWL oder Jura studieren. Man muss schon für Ideen brennen, um in dieser Branche glücklich zu werden. Es gibt eben Leute mit einem Beruf und Leute mit einer Berufung. 

PC: Was sollte man bei den Praktikumsangeboten, die es da draußen gibt, auf jeden Fall beachten?

René: Wichtiger als die Wahl der Agentur oder des Designbüros ist wie gesagt die Wahl des Teams, mit dem man direkt zusammenarbeitet. Schaut euch an und fragt nach, wer das genau ist. Denn davon hängt nicht nur ab, wie das Praktikum verläuft, sondern auch wie ihr in Aufgaben eingebunden werdet. Redet mit Kommilitonen, die dort vielleicht schon Praktika absolviert haben und fragt sie aus.

Björn: Ich würde vor allem darauf achten, dass die Agentur richtig gute Arbeiten im Portfolio hat. Da hilft es, sich an den Ergebnissen der großen nationalen und internationalen Kreativwettbewerben zu orientieren. Natürlich nicht als alleiniges Bewertungskriterium. Doch letztendlich zählt nicht, wie hipp eine Agentur ist, sondern was sie fachlich drauf hat. Schließlich sollte man im Praktikum auch was lernen.
Letztendlich ist es eh nur ein halbes Jahr und danach ist man wieder weg. Außer man spekuliert auf Übernahme. Aber dann ist das sowieso was ganz anderes.

PC: Was war eure beste Erfahrung?

Björn: Die Geburt meiner beiden Töchter. Okay, auch wenn es stimmt, war das eine Klischeeantwort und bestimmt auch nicht das, worauf die Frage abgezielt hat.
In Bezug auf Praktikanten sind das zwei Dinge, die mich immer wieder begeistern. Auf der einen Seite ist es toll, wenn Praktikanten nach dem Praktikum nochmal wiederkommen und gerne wieder mit uns zusammenarbeiten wollen. Das ist mit das größte Lob, das man bekommen kann. Auf der anderen Seite ist es auch toll, wenn die Agenturchefs uns nach ehemaligen Praktikanten fragen, wenn neue Einstellungen anstehen.

René: Eine Geschichte ist bei mir aus menschlicher Sicht besonders hängen geblieben. Einer unser ehemaligen Praktikanten schrieb uns in seiner Abschiedsmail, wie sehr er durch unsere Zusammenarbeit sein Selbstvertrauen wieder gewonnen habe. Er hätte vor dem Praktikum große Zweifel gehabt, ob er es jemals schaffen würde, in der Werbung Fuß zu fassen und war kurz davor alles hinzuschmeißen. Mittlerweile geht er seinen Weg und ist Junior Art-Director. Das freut mich sehr.

PC: Was war eure schlechteste Erfahrung?

René: Es gibt immer mal wieder ärgerliche Situationen. Aktuell mussten wir miterleben, wie nacheinander vier wirklich sehr gute Praktikanten, die alle gerne geblieben wären, nicht bei uns in der Abteilung übernommen werden konnten. Wenn es fachlich und menschlich gut passt, dann tut einem so etwas schon sehr weh. Doch leider hängt es eben nicht nur vom Können der Bewerber ab, sondern auch von der aktuellen finanziellen Situation. Schaut es zur Mitte des Praktikums noch gut aus, kann sich das durchaus innerhalb eines Monats ändern. Deswegen sollte man Praktikaangeboten mit Aussicht auf Übernahme immer sehr kritisch gegenüber stehen. 

Björn: Es ist einfach so, dass die Agenturen heute finanziell nicht mehr so flexibel wie vor ein paar Jahren sind. Jemanden einzustellen, obwohl das Geld gerade nicht für dessen Stelle da ist, und zu hoffen, dass das nächste Neugeschäft ins Haus flattert, ist kaum noch möglich. 

Rene: Generell ist aber auch die Fluktuation in Agenturen sehr hoch. Das sind Dinge, an die man sich leider gewöhnen muss, wenn man in dieser schnelllebigen Branche Arbeitet. Ein kleiner Wermutstropfen: Die meisten trifft man eh bald wieder.

Björn: So konnten inzwischen von den vier angesprochenen Praktikanten drei dann doch übernommen werden. Zwar nicht in unserer Abteilung aber immerhin gehen diese Talente der Agentur nicht verloren. Die Agentur wäre ja auch bescheuert, wenn sie die Möglichkeit hat, talentierten Nachwuchs einzustellen, das nicht zu tun. René und ich versuchen zumindest immer gute Leute zu behalten. Und klappt es wirklich nicht bei uns, stellen wir auch gerne mal Kontakte in andere Agenturen her, wo wir wissen, dass es dort passen könnte.

PC: Was ist euer bester Tipp für Praktikanten und solche, die es werden wollen?

Björn: Das wichtigste, was ich bei einem zukünftigen Praktikanten spüren möchte, ist Motivation. Denn das ist auch auf lange Sicht, was am meisten bringt. Jemand mit mittelmäßigem Talent aber voller Motivation wird immer den talentierten aber weniger motivierten übertreffen.
Und wenn es im Praktikum mal wirklich nicht passt, dann sollte man ruhig Konsequenzen ziehen. Das muss nicht gleich ein Praktikumsabbruch sein. Oft ist es dann schlauer, innerhalb der Agentur zu wechseln.

René: Man sollte nicht Praktikant werden wollen. Man sollte lernen und wachsen wollen. Fragt also nicht nur nach dem Was und Wie, sondern vor allem nach dem Warum.

PC: Euer eigenes Praktikum ist ja schon einige Jahre her, was macht ihr jetzt und wie wirken sich die gesammelten Erfahrungen auf eure Arbeit aus?

Björn: Derzeit arbeiten wir beide zusammen als Team in der Kreation von Scholz & Friends Berlin. Hier sind wir seit jetzt seit fast zwei Jahren und werden wohl, wenn es weiterhin so wie momentan läuft, auch noch eine Weile bleiben.

René: Vorher waren wir drei Jahre bei DDB in Berlin. Das war auch eine super Zeit, aber am Ende passte es einfach nicht mehr. Wir sind also inzwischen seit knapp fünf Jahren im Beruf. Unsere Erfahrungen aus unserem Praktikum haben uns beim Einstieg sehr geholfen. Vom Verständnis wie Agenturen strukturiert sind bis hin zu Herangehensweisen wie man Jobs abwickelt, hat uns diese Zeit sehr viel mitgegeben. 
Aber nicht nur das. Oft führt eins zum anderen. So kamen wir wie bereits erwähnt durch unser Praktikum erst auf die Idee des Praktikantenguides. Die vielen Kontakte aus dem Buchprojekt halfen uns bei unserer Diplomarbeit enorm weiter. 

Björn: Das ist die Vortragsreihe "Projektil" an der Bauhaus Uni in Weimar. Zu unserer Freude wird die auch immer noch von Studenten fortgeführt.

René: Und mit unserer Diplomarbeit stellten wir auch den Kontakt zu unserem ersten Arbeitgeber her. Eine Verkettung von Ereignissen, die zeigt wie wichtig jede einzelne Erfahrung sein kann – auch wenn man es in dem Moment, in dem man sie macht, noch gar nicht vermutet.

PC: Vielen Dank für das Interview.

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