Die Mappe - Studium vor dem Studium Teil 2

Im ersten Teil unserer Artikelreihe Die Mappe – Studium vor dem Studium haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wozu denn die Bewerbungsmappe für einen Studienplatz im kreativen Bereich gut ist und welchen Sinn sie für den Bewerber hat. Auf der Suche nach Antworten sind wir auf viele Parallelen zum Studium gestoßen, die die Erstellung einer Mappe mit sich bringt: eine eigenständige Arbeitsweise an Projekten, die Arbeit mit vielen verschiedenen Medien und der rote Faden. 
Der rote Faden?

Ja. Denn nicht nur die Bewerber suchen sich häufig einen roten Faden, nach dem sie ihre Mappe gestalten. Auch im Studium ist diese Vorgehens-
weise üblich. Meist hat man im Semester (neben verschiedenen Zeichen-, Computer-, und Werkstattkursen) ein großes Semesterprojekt, das unter einem bestimmten Thema steht, und mit dem man sich dann auf verschiedene Art und Weise auseinandersetzt. Man hat dann einmal pro Woche ein Treffen in der jeweiligen Projektgruppe, in dem dann zusammen mit einem Professor die Fortschritte und Zwischenergebnisse besprochen werden. Dabei wird man häufig mit Kritik an der eigenen Arbeit konfrontiert, sowohl von Kommilitonen als auch vom Professor. Dies kann durchaus ernüchternd sein und so ist es gut, wenn man bereits während des Entstehungsprozesses der Mappe Kritik einfordert, sowohl von Familie und Freunden als auch von Menschen, die den Arbeiten neutral gegenüberstehen. 

Ein weiterer Aspekt, der sowohl für Mappe und Studium gleichermaßen essentiell ist, ist das Zeitmanagement. Die Erstellung der Mappe kann je nach Bewerber stark variieren. Während einigen zwei bis drei Wochen ausreichen, um ihre Mappe komplett fertig zu stellen, arbeiten andere oft monatelang, bis die Mappe endlich ihren Vorstellungen entspricht. Aber egal ob man nun länger oder kürzer für die Mappe braucht, gleich bleibt für alle, dass es einen von der Hochschule festgelegten Abgabetermin gibt, an den man sich halten muss. Und wo es einen Abgabetermin gibt, ist auch automatisch ein gewisser Zeitdruck vorhanden. Man muss lernen, sich seine Arbeit einzuteilen, das Beste aus seinen Arbeiten herauszuholen und sich nicht in etwas zu verlieren. Abgabefristen gibt es auch im Studium einige und daher ist es durchaus von Vorteil, dass man sich bei der Erstellung der Mappe schon mal mit dem Thema „Zeitmanagement“ auseinandersetzen musste.

Prof. Andreas Ingerl - HTW Berlin, Stellv. Vorsitzender Prüfungskommission:

Eine Mappe zeigt nicht nur, wer Sie sind, sondern auch, oder noch viel mehr, ob Sie zu uns, also der Hochschule (bzw. dem Studiengang) passen. Wir haben Ihnen gegenüber eine Verantwortung, nämlich Sie zu fördern, Ihre Persönlichkeit zu entwickeln und Sie auf den Beruf vorzubereiten und viel wichtiger noch Ihnen eine Vision unseres Berufes in 10, 20 oder 40 Jahren mit auf dem Weg zu geben. Wenn wir Sie ablehnen, bedeutet das also nicht zwingend, dass Sie für den Beruf ungeeignet sind, sondern vielleicht das Sie und die Hochschule nicht zusammenpassen. Ich verstehe ein Design-Studium nicht als eine einseitige Vermittlung von Inhalten, sondern als eine Zusammenarbeit mit dem Ziel, Sie zu einer Persönlichkeit und einem denkenden Menschen zu machen.

Viele werden sich an dieser Stelle nun wohl eingestehen, dass die Erstellung einer Mappe nicht den Zweck verfolgt, die Bewerber einzuschüchtern oder gar wahnsinnig zu machen, sondern dass sie den angehenden Studenten helfen soll, einen besseren Einblick in den angestrebten Studiengang zu bekommen. Die Mappenerstellung ermöglicht dem Bewerber außerdem einen besseren Ausblick auf das, was im Studium auf einen zukommen wird, von dem viele einfach schlicht und ergreifend eine falsche Vorstellung haben. 
Aber jeder, der mal vor der Erstellung einer Mappe stand, weiß auch, dass das, was in der Theorie sogut gemeint klingt, in der Realität oft anders aussieht. Häufig hat man, wenn man sich der Herausforderung stellt, Arbeiten für die Mappe zu erstellen, keine Ahnung, worauf die Professoren wert legen. Man malt, zeichnet, fotografiert und filmt munter drauf los, ohne zu wissen, ob die Arbeiten mappentauglich sind. Dabei ist die Angst zu scheitern ein ständiger Begleiter, denn ein jeder weiß, dass die Mappe darüber entscheidet, ob man einen Studienplatz bekommt oder nicht. Und somit auch über die eigene Zukunft. 

Wie arbeitet man also an der Mappe? 

Wichtig ist zunächst einmal, sich bei der Erstellung der Mappe nicht vom Gedanken an die Mappe leiten zu lassen (so schwierig und vielleicht auch widersprüchlich es zunächst einmal klingen mag). Fragen wie „Was soll rein?“ oder „Was wollen die sehen?“ sind überflüssig, wenn man bedenkt, dass die Professoren in den Prüfungskommissionen von Hochschule zu Hochschule variieren und somit auch jeder eine individuelle Einstellung bezüglich der Anforderungen einer Bewerbungsmappe hat.
Soll heißen: Macht, wozu ihr Lust habtArbeitet an Themen und mit Medien, die euch interessieren.

Trotz all der Freiheit, die euch bei der Gestaltung der Mappe gegeben ist, gibt es nichtsdestotrotz einige Themen, die in der Regel nicht mappentauglich sind. 
Hierzu gehören in jedem Fall Auftragsarbeiten (Corporate Design, Merchandising, Flyer etc.), da diese oftmals im Auftrag anderer entstanden und somit unpersönlich sind und nur wenige Rückschlüsse auf den Bewerber selbst und dessen Auseinandersetzung mit der Materie zulassen. Auch auf Schularbeiten, die ebenfalls gerne als „Auftragsarbeiten“ interpretiert werden, sollte aus eben solchem Grund verzichtet werden. Ein weiteres Thema, das bei Mappenbesprechungen häufig bemängelt wird, sind Klischeethemen, sprich Themen, die schon unzählige Male in unzähligen Mappen zu sehen waren (z.B. Gliederpuppen, Zigarettenschachteln, Hände, Pferde etc.) und die den Professoren somit überdrüssig sind. Auch hier stellt sich die Problematik, dass sie meist aus Genres beeinflusst sind und nicht aus dem Interesse des Bewerbers. Ebenfalls Arbeiten, die aus Genres beeinflusst sind, sind solche im Punk-, Grunge- & Fantasy-Style sowie Mangas und Anime und sollten somit keinen Platz in der Mappe finden.

Prof. Hans Lamb - HAWK Hildesheim, Vorsitzender Prüfungskommission:

Grundsätzlich sollte man sich nicht mit dem exponieren, was man (noch) nicht gut kann. Es ist sinnvoll, seine persönliche Leistungsschau auf mehrere „Standbeine“ zu stellen. Nur wer ein absoluter „Crack“ in einer Disziplin wie Zeichnen, Foto, Malerei, Collage, Film, Skulptur, etc. ist, sollte alles auf eine Karte setzen. Allen anderen wäre eher eine Verteilung auf drei bis vier verschiedene Sparten zu raten, um vielseitiges Interesse, Engagement und Können zu zeigen. Innerhalb der einzelnen Standbeine ist es aber überaus sinnvoll in Arbeitsreihen zu arbeiten und diese zusammenhängend zu präsentieren. Erst dadurch ist es dem Prüfer möglich, den Zusammenhang schnell zu erkennen und die Chronologie und Konsequenz der Auseinandersetzung mit dem Thema einzuschätzen.

Aber auch bei der Erstellung einer Mappe gilt wie so oft: Ausnahmen bestätigen die Regel. Selbst das langweiligste Klischeethema kann frisch wirken, wenn der Bewerber ernsthaftes Interesse daran hat, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, es auseinandernimmt und visuell auf eigenständige Art und Weise kommuniziert. 

Diese Fähigkeiten, ein Thema intensiv zu untersuchen, es aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und es visuell für den Betrachter zugänglich zu machen, sind im Wesentlichen solche, die die Professoren gerne beim Bewerber sehen möchten. 
Sie haben Interesse daran, wie du konzeptionell vorgehst, wie du dich mit dem Thema auseinandersetzt, recherchierst, es analysierst, was du damit assoziierst und letztendlich, wie du es neu zusammensetzt. Aus deiner Mappe soll demnach ersichtlich werden, aus welchen Perspektiven du das Thema beleuchtest, wie du eine Serie daraus baust und wie deine individuelle Sichtweise darauf ist. 
 

Was siehst du, was andere nicht sehen? Welche neuen Ideen entwickelst du daraus? 

Mit genau dieser Frage, wie man zur Entwicklung neuer Ideen gelangt, haben sich in der Vergangenheit viele Kreative beschäftigt. Dabei geht es um die grundlegende Arbeitsweise von Designern, die in mehrere Schritte unterteilt werden kann.
Welche genau das sind, und die Lösung um das Rätsel, wie diese bei der Erstellung einer Mappe weiterhelfen können, erfahrt ihr in Teil 3 unserer Reihe „Die Mappe – Studium vor dem Studium“.

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