Rezension: Designing Design

Im Buch “Designing Design” setzt sich der japanische Designer, Kurator und Kommunikationschef von Muji, Kenya Hara (*1958) mit der Frage auseinander, was Design ist. Dabei eröffnet er mit dem Statement das jeder Versuch Design zu beschreiben Design ist und somit stark von der individuellen Interpretation abhängt. Für Hara geht es bei Design darum, wie man das Besondere und Neue im Alltäglichen findet. Dieser Prozess beginnt, laut Hara, mit “Exformation” - hier als Gegenteil zu Information gedacht - einer initialen Einsicht darüber, wie wenig wir eigentlich wissen. Diese Einsicht ist existenziell da sie erlaubt das Besondere im Alltäglichen zu entdecken. Wie sich diese Grundhaltung auf die Gestaltung auswirken kann, wird eindrucksvoll in den einleitenden Kapiteln gezeigt, die die Alltäglichkeit von Haptik, Sinneswahrnehmungen und der Farbe Weiß hinterfragen und neu entdecken. Hierbei zeigt Hara neben eigenen Projekten, Werke von verschiedenen bekannten Designern und Architekten, die Hara dazu einlud, das Besondere im Alltäglichen zu suchen und zu hinterfragen. Hierbei sind überraschende Ergebnisse entstanden, die alltägliche Dinge wie z.B. Teebeutel, Saftverpackungen, oder Makkaroni, den Betrachter zum Nachdenken und Schmunzeln anregen. 

Obwohl die Objekte und Aufgabenstellungen einfach sind, so sind sie keineswegs trivial. Im Bezug auf den Herstellungsprozess, z.B. bei Makkaroni, wird dies schnell klar. Kochzeit, Sossenaufnahme, Bissfestigkeit und Herstellungsverfahren sind Parameter die das Alltägliche zum Besonderen werden lassen und selbst erfahrene Designer vor einen Herausforderung stellen.

 

 

 

 

 

 

 

Die resultierenden Objekte machen hierbei eindeutig klar, das Design nicht mit der Antwort sondern mit dem Stellen der richtigen Frage (dem "brief") beginnt. Hara zeigt hier auf eindrucksvolle Art und Weise, wie er es schafft Neues zu Inspirieren ohne eine Lösung vorzugeben. Die Frage ist somit Ausgangspunkt und der Quell für Kreativität. Die Einsicht die Hara mit diesem Ansatz bietet, zeigt sich nicht nur in den Experimenten die in seinen Ausstellungen zu sehen sind.

Hara, selbst Designer und Kommunikationschef von Muji, zeigt in Kapitel 5, wie sich seine philosophische Grundhaltung auch auf die Gestaltung und Identität des mittlerweile Weltweit bekannten Warenhauses auswirkt. Hara erklärt zum Beispiel, wie ein neues Verständnis der Marke Mulji, als “this will do” (dies reicht aus), dazu geführt hat, das Muji trotz internationalem Wettbewerb und Niedriglöhnen weiter in Japan produzieren und international bestehen konnte.  

Die Frage als Ausgangspunkt der Gestaltung zu sehen ist gerade im Bezug auf viele Designstudiengänge, die immer noch die Lösung in den Mittelpunkt des gestalterischen Wirkens stellen, interessant. Folgt man der Abhandlung von Hara zur historischen Entwicklung des Designs (Kapitel 8), so könnte man daraus schließen, das Viele noch in einer früheren Entwicklungsstufe des Design stecken geblieben sind. In seiner Abhandlung beschreibt Hara, basierend auf eigenen Erfahrungen und Ideen, wie er glaubt, das sich die Idee von Design entwickelt hat.

Angefangen bei den ersten von Mensch geschaffenen Werkzeugen, über das "Arts & Crafts Movement" bis hin zu Bauhaus und der Postmoderne gibt der Autor einen guten und kompakten Überblick über die Entstehungsgeschichte von Design. Hierbei wird schnell klar, das Design sich in einer ständigen Entwicklung befindet. Dies nimmt der Autor zum Anlass die - zur Zeit des Erscheinen des Buches - dominierende Idee von Design als “Styling” zu kritisieren. Hieraus resultierend artikuliert Hara Ideen und Überlegungen die sich erst einige Jahre später mit der Entstehung von Design Thinking und Service Design praktische umsetzen lassen. 

 

Fazit

Das Buch verleitet den Leser zu interessanten Betrachtungsweisen des Alltäglichen und schafft es dabei Fragen zu adressieren, die Designer seit Jahrzehnten begleiten. Generell beschränkt sich das Buch hierbei auf Produktdesign und Grafikdesign. Hier könnte man kritisch sein und behaupten, das Buch sei veraltet, da es sich kritisch mit einer Epoche des Designs auseinander setzt, in der Styling und Formgebung im Mittelpunkt standen. Dabei würde man allerdings dem Werk Unrecht tun, das durch seine philosophische Auseinandersetzung und Einfachheit der gezeigten Beispiele gestalterisch und inhaltlich überzeugt. 

Für Studienanfänger ist das Buch interessant da es die Gedanken eines erfahrenen Designers widerspiegelt und zeigt welchen Tiefgang Design haben kann. Zudem wird in Kapitel 8 eine kurze, knackige und interessante Übersicht über die Entstehungsgeschichte von Design gegeben, die für mich mehr Wert hatte als einige Klassen Kunstgeschichte, die ich in meinem Studium besuchen „durfte“. Für Studierende, besonders im Bereich Produkt-, Industriedesign und Grafik, hält das Buch einige neue Anregungen und Designprinzipien bereit, die in den eigenen Arbeiten zur Anwendung kommen können. Dabei zeigt das Buch auf, wie man als Designer ein scheinbar banales Thema philosophisch durchdringen kann, um es für die eigene Gestaltung zu nutzen. 

Generell würde ich aber nur denen zum Kauf des Buches raten, die sich der englischen Sprache sicher sind, da den philosophischen Texten, die die Denkweise des Autors kommunizieren, nicht immer leicht zu folgen ist.

 

Designing Design
von Kenya Hara
467 Seiten
Format 24 x 17 x 4 cm
ISBN 978-3037781050
Zu haben ist es für 45€
direkt über den Verlag Lars Müller Publishers,
im Buchhandel,
oder zum Beispiel über Amazon
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