Designer in einem Gesundheitsstartup – ein Interview mit Martin Thiemann

Für viele angehende Designer steht nach dem Studium fest, dass sie in einer Agentur oder als Freelancer arbeiten. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Man kann viele unterschiedliche und lehrreiche Erfahrungen sammeln. Ein Berufsfeld abseits von Agentur und Co. haben nur wenige auf dem Schirm – vor allem nicht das Arbeiten in einem Startup. Dabei bietet das Berufsfeld viele spannende Möglichkeiten: Man arbeitet an einer Idee, für die man brennt, erlebt Höhen und Tiefen der Gründungsphase. Man kann Veränderungen schnell durchsetzen und hat vor allem eines: eine Menge Verantwortung. Martin Thiemann, Designer bei smartpatient, hatte sich damals nach jahrelanger Arbeit als Freelancer für u.a. Scholz & Volkmer und die Deutsche Telekom bewusst für ein  Gesundheitsstartup entschieden: „Die Aufgaben als Freelancer waren spannend. Für mich ist Design allerdings ein Werkzeug, um etwas Nachhaltiges zu schaffen. Daher habe ich mich nach etwas gesehnt, das mehr Kontinuität mit sich bringt.“ Wir haben uns mit Martin Thiemann über Design in Startup-Unternehmen und die digitale Welt unterhalten.

Hallo Martin. Wie kamst Du nach deinem Diplom 2008 in Kommunikationsdesign in Nürnberg auf den Weg zum Gesundheitsstartup smartpatient?
Zunächst war mein Steckenpferd Editorial Design und Typografie. Ich habe mehrere Jahre im Bereich Corporate Publishing in einer Agentur gearbeitet, bis ich mich in der Selbstständigkeit viel mit Usability auseinandergesetzt und in den online-Bereich eingearbeitet habe. Danach habe ich beschlossen, im Bereich Gesundheit zu arbeiten. Ich habe mich aktiv auf die Suche nach Startups in dem Bereich gemacht und nun bin ich seit einem Jahr hier.

Warum hast du dich genau für das Thema Gesundheit entschieden?
Durch meine Freelance Tätigkeit habe ich Einblicke in verschiedenste Bereiche bekommen. Bei dem Thema Gesundheit ist das Produkt am Ende für den Nutzer sehr wichtig. Es dient der Hilfestellung im Alltag und gibt meiner Arbeit einen höheren Sinn. Als Designer in einem Gesundheitsstartup hat man die Chance, die Lebensqualität der Menschen dauerhaft zu verbessern.

Und wieso hast du speziell nach einem Startup gesucht?
In einem Startup bist du Teil eines jungen, kleinen Unternehmens, was bedeutet, dass du sehr viel Einfluss, hast. Du wirst viel gefordert, aber kannst in allen Bereichen mitwirken. In der Karrierestufe kannst du in einem Startup alles erreichen, die Mitarbeiter sind motiviert das Unternehmen voranzubringen, was für ein besonderes Arbeitsklima sorgt. Es sind lauter junge Leute, die ein Produkt erfolgreich machen wollen und das macht Spaß!

Was ist smartpatient und was machst Du als Head of Design dort?
Das Kernprodukt ist die App MyTherapy  für Nutzer mit chronischen Krankheiten, die über längere Zeit in einer Therapie behandelt werden. Zum einen dient sie der Erinnerung an Medikamente und Messungen. Zum anderen ist es ein digitales Therapietagebuch. Meine Rolle als Head of Design ist die Verantwortung des Produkts in all seinen Aspekten. Wir entwickeln das Produkt stets weiter, arbeiten an neuen Prototypen und führen Tests zur Usability durch. Dazu gehört ein ganzes Team mit Spezialisten aus unterschiedlichsten Bereichen.

Denkst du jeder sollte einen Mehrwert mit seiner Tätigkeit im Design schaffen?
Wenn ich mir erfolgreiche Designer anschaue, dann sind das Gestalter, die Design als ganzheitliche Denkweise verstehen. Das sind keine Schönmacher, sondern Richtigmacher. Mit Design kann man dem Nutzer helfen und Bedürfnisse erfüllen. Das ist in verschiedenen Bereichen wie Gesundheit möglich, aber auch in andere Branchen.

Wie stehst du zu der Entwicklung des Umgangs mit der Digitalisierung in unserer Gesellschaft?
Die Digitalisierung hat unseren Alltag eingenommen und diese Entwicklung lässt sich meiner Meinung nach auch nicht aufhalten. Ich habe das Gefühl, wir als Designer und junge Unternehmer sollten nun die Gelegenheit nutzen, die Digitalisierung so zu machen, dass sie gut für unsere Gesellschaft ist. Wir haben jetzt die Möglichkeit Einfluss zu nehmen und Dinge wie Datenschutz als Topthema geltend zu machen. Wir müssen Produkte so gestalten, dass die Sicherheit immer gegeben ist, dann wird der Nutzer die Digitalsierung auch immer akzeptieren. Alle Arten der Unterstützung und auch der Unterhaltung sind in der Digitalisierung sinnvoll. Nicht nur im Alltag nützliche und wichtige Anwendungen, ebenso Spiele sind ein Bedürfnis des Menschen. Diese Produkte muss man immer wieder reflektieren, wir tun mit smartpatient etwas Gutes, indem wir Menschen helfen, es gibt aber so viele Möglichkeiten mit Design Einfluss zu nehmen und in der Digitalierung einen Mehrwert zu schaffen.

Wie wichtig ist die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung für einen Designer?
Als Absolvent im Kommunikationsdesign gibt es kaum noch Aufgaben, die nur im Printbereich stattfinden, es ist klar, dass es immer eine Webseite, eine App, etc. geben wird. Ebenso wird es bei Produktdesign immer einen Button geben oder es gilt sich mit Interface auseinanderzusetzen. Entweder man wehrt sich dagegen, ich aber bin der Meinung man sollte auf den Zug aufspringen. Kommunikationsdesign bleibt weiterhin nonverbale Gestaltung mit einer guten Form, Typografie und einem ästhetischen Anspruch. Auch im aktuellen digitalen Produktdesign sind weiterhin alle Aspekte der Ästhetik und Funktion notwenig, spätestens seit dem Iphone schätzt der Nutzer gutes Design wert. Es ist der neue Standart geworden, dass etwas schön und gut ist.

Was möchtest du unseren jungen Designern noch mit auf den Weg geben?
Ich würde mir wünschen, dass angehende Designer sich an die Faszination der digitalen Technologie, besonders der Interaktion von Apps und digitalen Produkten, herantrauen. Diese ist eine spannende Welt und bietet große Möglichkeiten. Die Technologien bieten heute Möglichkeiten, mit sehr einfachen Mitteln viel zu erreichen. Wenn sich noch mehr für diesen Bereich begeistern, können wir Designer einen großen positiven Einfluss auf diese Entwicklungen nehmen. Dazu gilt es, bei jungen Gründern und Konsumenten ein Bewusstsein für Gestaltung und Ästhetik zu vermitteln. Neben der Realisierung und der Wirtschaft ist Design ist einer der größten Aspekte eines Unternehmens. Außerdem ist die Arbeit in einem Startup wirklich spannend: Man lernt viel und bekommt schnell Verantwortung übertragen.

Vielen Dank an Martin Thieman, Head of Design bei smartpatient

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